Herzrasen und Schwindel beim Aufstehen können ein Zeichen für POTS sein

Herzrasen und Schwindel beim Aufstehen können ein Zeichen für POTS sein

Nach einer SARS-CoV-2-Infektion tritt häufig ein posturales orthostatisches Tachykardie-Syndrom (POTS) auf. Betroffene zeigen orthostatische Symptome wie Herzrasen, Übelkeit und Panik beim Aufstehen. Bei erfolgreicher Diagnose gibt es wirksame Therapien.

Banner Altea Care App

 

Das posturale orthostatische Tachykardiesyndrom (POTS) kann vorliegen, wenn Betroffene beim Aufstehen an einem erhöhten Puls, Schwindel und Panikattacken leiden. Gemäss Schätzungen des Autonomic Dysfunction Centers in Nashville sind 0.2% der Bevölkerung betroffen, was ca. 17'000 Personen in der Schweiz entspricht. Die meisten Patientinnen sind zwischen 15 und 50 Jahre alt, und mehr als 80% Prozent sind Frauen.

Einfache Diagnose

POTS wurde definiert als Anstieg der Herzschlagfrequenz um mindestens 30 Schläge pro Minute (bei Jugendlichen 40 Schläge/min) innerhalb von 10 Minuten nach dem Aufrichten, wobei der Blutdruck dabei nicht abfällt. Der Anstieg der Herzschlagfrequenz kann einfach diagnostiziert werden, indem der Patient sich für 10 Minuten hinlegt und nach dem Aufstehen über 10 Minuten die Herzschlagfrequenz gemessen wird, oder durch einen Kipptischtest. Weitere Kriterien für eine erfolgreiche Diagnose sind häufig auftretende Symptome beim Aufstehen/Aufsetzen oder hinliegen (orthostatische Intoleranz) die bereits ≥3 Monate andauern und das Fehlen anderer Erkrankungen, die eine Sinustachykardie erklären könnten. Es wird geschätzt, dass POTS-Symptome bei ca. der Hälfte der Betroffenen auf einen viralen Infekt zurückgehen.

Die Abgrenzung zwischen Ursachen und Symptomen ist teilweise diffus

Die Ursachen für POTS sind nicht eindeutig geklärt und die Abgrenzung zwischen Ursachen und Symptomen ist teilweise diffus. Es handelt sich um eine Störung des autonomen Nervensystems, also der automatisch ablaufenden Vorgänge, die nicht willentlich gesteuert werden können. Dies kann eine Vielzahl von unterschiedlichen Dysfunktionen auslösen, welche ursächlich miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen.

Was passiert bei POTS?

Bei POTS ist das Hauptproblem, dass sich die Venen, die das Blut aus den Beinen in den Kopf pumpen, nicht mehr genügend zusammenziehen können. Dadurch sammelt sich das Blut im unteren Teil des Körpers. Um diese Störung zu regulieren und zu kompensieren, steigert der Körper den Puls um das Herz zu aktivieren (Tachykardie), oder er erhöht die Atmung (Hyperventilation). Beides hilft den Kreislauf zu stabilisieren, aber führt zu weiteren Problemen, erklärt der deutsche Arzt Thomas Weiss in einem Video.

Eine Tachykardie, also Herzrasen führt zu Panik und Stress. Bei der Hyperventilation wird zwar mehr Sauerstoff aufgenommen, aber auch mehr Kohlendioxid abgegeben, was das Säure-Basen-Gleichgewicht durcheinanderbringt. Das Blut wird zu basisch und die deshalb erhöhte Mineralstoffzufuhr macht Nerven und Muskeln erregbarer. Die Folgen sind Unruhe, Herzklopfen, Kribbeln aber auch Muskelzucken und Muskelkrämpfe.

POTS ist mit unterschiedlichen Symptomen und koexistierenden Erkrankungen verbunden

Das posturale orthostatische Tachykardiesyndrom kann mit einer vielzahl unterschiedlicher Symptome assoziiert sein, darunter Benommenheit, Herzklopfen, Zittern, allgemeine Schwäche, verschwommenes Sehen, Übelkeit, Belastungsunverträglichkeit, Ängste und Panikgefühle und Fatigue. Auch bei unterschiedlicher Symptomausprägung haben POTS-Patientinnen eines gemein: die Symptome sind am stärksten in der aufrechten Position und Betroffene fühlen sich entsprechend im Liegen am wohlsten. Beim Aufstehen treten die Symptome auf und nach einer Weile stellt sich vor allem eine kaum zu beherrschende Erschöpfung ein. Dabei gibt es fliessende Übergänge zu anderen Konditionen wie Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS), Gehirnerschütterung, Migräne, Fibromyalgie (chronische Schmerzen auf der Haut und in den Muskeln und Gelenken), funktionelle gastrointestinale Störungen, Angstzustände und Schreckhaftigkeit, Autoimmunität, sowie Gelenkhypermobilität und Ehlers-Danlos-Syndrom.

POTS tritt häufig in Verbindung mit COVID-19 auf

Seit Beginn der Corona-Pandemie wurde ein Anstieg an Patientinnen mit POTS-Symptomen beobachtet, mehrere Studien belegen mittlerweile einen Zusammenhang. Nach einer SARS-CoV-2-Infektion entwickeln etwa 2­­−14% der Betroffenen ein POTS und 9−61% erfahren POTS-ähnliche Symptome, wie Tachykardie, orthostatische Intoleranz, Fatigue und kognitive Einschränkungen während der ersten 6−8 Monate nach einer schweren akuten Infektion. Eine grossangelegte Studie mit mehr als   Teilnehmern aus den USA zeigt zudem, dass die Wahrscheinlichkeit 90 Tage nach einer COVID-19-Impfung oder einer SARS-CoV-2-Infektion POTS zu entwickeln erhöht ist, wobei die Wahrscheinlichkeit nach einer Infektion etwa 5-mal höher ist als nach der Impfung.

Sitzen ist das neue Rauchen (sollte gemäss Dr. Thomas Weiss das erklärte Motto sein, wenn man an POTS leidet.)

POTS kann Angst auslösen

Das posturale Tachykardiesyndrom ist keine psychische Erkrankung. Die Symptome können aber Angst auslösen. Angst und Panik wiederum können wegen der Hyperventilation die Symptome des posturalen Tachykardiesyndroms verstärken. Viele Betroffene leiden zudem unter anderen funktionellen Störungen, wie Migräne, Reizdarm, Reizblase, Schmerzen und Schlafstörungen. Oblwohl sich betroffene im Liegen am wohlsten fühlen, sollten sie dem Drang sich hinzulegen nicht immer nachgeben.  

Schonung führt zur Verschlechterung

Schonung trägt meist zu einer weiteren Verschlechterung bei, erklärt der Arzt Thomas Weiss aus Deutschland. Seine wichtigsten Tipps sind Vermeidung von Stress, Kompression durch Strümpfe und Wickel, Kältebäder, mehr Wasser trinken und salzreiche Ernährung um das Blutvolumen zu erhöhen, Atemtherapie wegen der Hyperventilation und Training, um Inaktivität und Übergewicht entgegenzuwirken. Tatsächlich zeigt die Literatur, dass ausgerechnet das unangenehme Training erheblich Verbesserungen bringen kann.

Multimodale Therapie Pots De

Multimodale Therapie nach Thomas Weiss

Vier von fünf Erkrankte können mit diesen Massnahmen in 18 Monaten eine deutliche Besserung der Beschwerden erreichen. Nach 5 Jahren war in einer Studie mit Jugendlichen POTS-Patientinnen die Symptomatik bei 19% der Studienteilnehmer gänzlich verschwunden. Weitere 67% berichteten eine verbesserte Symptomatik oder nur intermittierend auftretende Symptome. Angst und Hyperventilation scheinen wesentliche Faktoren zu sein, die zu einer Chronifizierung führen.